Sie konnte also weder schreiben noch lesen, war aber sehr intelligent und weise. Vergessen wir in unserer Gesellschaft manchmal, dass Weisheit wichtiger ist, als die Schulung intellektuellen Wissens?
Heutzutage sind wir sehr arrogant. Wir glauben: „Ich habe einen Doktortitel. Ich muss nichts mehr lernen. Niemand kann mir mehr etwas über das Leben beibringen.“ Wir können von den kleinen Dingen lernen, selbst wenn wir einen Harvard-Abschluss haben. Sogar Kinder können uns etwas sehr Wichtiges lehren, wenn wir dafür offen sind. Bescheiden zu sein und von Lebenserfahrungen zu lernen, ist sehr wichtig, um Weisheit zu erlangen. Lernen ist eine lebenslange Erfahrung und geht weit über das hinaus, was wir in Schulen und Universitäten, gelehrt bekommen. Das ist nur Schulbuchwissen, das uns ermöglicht, Karriere zu machen und Geld zu verdienen. Doch was wir vom Leben lernen können, ist viel wertvoller. Es lehrt uns zum Beispiel, wie wir uns weise in Beziehungen verhalten. Vom Leben zu lernen, gelingt uns nur, wenn wir die Bescheidenheit dazu mitbringen und offen für die Lektionen sind.
Meine Großmutter war sehr wichtig für meinen Großvater. Es gibt da eine Geschichte: Als Sechzehnjähriger, bereits verheiratet, wusste Großvater nicht, wer der Chef in ihrer Beziehung sein würde. Er ging zur Bibliothek, um Bücher über die Ehe zu lesen. All diese Bücher wurden von männlichen Chauvinisten geschrieben, die meinten, dass der Mann die Regeln vorgeben und die Frau ihm folgen muss. So kam er eines Abends heim und sagte zu meiner Großmutter: „Ab morgen, wirst du dich ohne meine Erlaubnis nicht aus dem Haus bewegen. Das ist ab jetzt die Regel und du wirst sie befolgen. Ich will keine Diskussion.“ Großmutter sagte überhaupt nichts. Sie ging nur schweigend zu Bett, stand den nächsten Morgen auf, verließ das Haus und tat alles, was sie immer tat, ohne seine Erlaubnis einzuholen. Nach ein paar Tagen realisierte er, dass sie ihm nicht gehorchte. Er konfrontierte sie und sagte: „Wie kannst du es wagen mir nicht zu gehorchen? Habe ich dir nicht gesagt, dass du das Haus nicht ohne meine Erlaubnis verlassen darfst?“ Ruhig, ohne wütend zu werden und ihre Stimme zu erheben, sagte sie: „Ich wuchs in dem Glauben auf, dass wir immer den älteren Respektspersonen im Haus gehorchen müssen. Ich denke die Respektspersonen in diesem Haus sind deine Eltern. Nun, wenn du mir damit sagen willst, ich solle deiner Mutter nicht gehorchen, sondern stattdessen dir, lass es mich wissen, damit ich deiner Mutter sagen kann: „Ich werde dir nicht mehr gehorchen.“ Mein Großvater konnte dem nichts entgegensetzen. Das ganze Thema war erledigt, ohne dass irgendjemand von den beiden wütend wurde. Mein Großvater sagte, dass er die wichtigste Lektion in Gewaltlosigkeit, im Alter von sechzehn Jahren von meiner Großmutter lernte. Dies veränderte sein Verständnis vom Leben für immer. Sein ganzes Leben unterstützte ihn meine Großmutter und arbeite mit ihm. Sie hatten eine gute Partnerschaft.